Besuch bei Alberti
Es werden Platten gehört als ich den Raum betrete und neben dem Plattenspieler in einem tiefen Sessel sitzt eine blondhaarige Frau, die langen Beine unter dem Stoff ihres an die Knöchel reichenden Rocks übereinander geschlagen. Der Gastgeber dieser mir schon beim Reinkommen seltsam anmutenden Abendgesellschaft stellt sie als Gloria vor. Ich lernte Alberti, diesen hageren Österreicher, mit Halbglatze und Pferdeschwanz, auf einer Vernissage kennen, wo er sich Häppchen in die Anzugtaschen steckte und den Prosecco aus Wassergläsern trank. Ich bin der letzte, der sein Wohnzimmer betritt, die anderen sitzen sicher schon seit Stunden zusammen. Wir sind jetzt zu siebt, außer Alberti, Gloria und mir sind zwei Pärchen da, wie Alberti mich bereits zuvor informiert hatte: Jeffrey, der Amerikaner mit seiner Frau Leslie; und Claude, der Franzose, mit seiner Freundin Alice. Wer zu wem gehört ist allerdings nicht auszumachen, die Menschen hängen verstreut in diesem halbdunklen Zimmer herum, auf ihren Stühlen in sich zusammengesunken. Ein stroboskopartiges Licht flackert, das von einem Beamer kommt, der Musikvideos auf eine weiße Wand wirft. Alle Wände sind kahl hier, aber jetzt nicht weiß, sondern grau, diese eine schmutzig-pastellbunt. Halbleere Weinflaschen stehen auf einem Tisch, die Stimmung ist dem entsprechend.
Setzt euch endlich hin, ihr macht mich ganz nervös“, sagt Gloria zu Alberti und mir, während sie sich am Plattenspieler zu schaffen macht, ohne ihren Sessel zu verlassen. Ich habe gerade das Giorgio-Moroder-Set gestartet, bei Van McKoy hat schon keiner zugehört.“
Ich drehe die Musik lauter. Donna Summer“, sage ich.
Stimmt.“
Wie wäre es mit einem Glas Wein“, sage ich zu unserem Gastgeber. Dabei sehe ich aber noch immer Gloria an.
Roten?“, fragt mich Alberti.
Roten“, sage ich. Als ich mein Glas Wein in die Hand gedrückt bekomme, setze ich mich auf die Armlehne des Sessels, in dem Gloria ihre Beine nicht mehr übereinander geschlagen hat, sondern wippend bewegt; im Takt der Musik. Gloria aber springt auf und beginnt zu tanzen. Donna Summer singt Love To Love You Baby zur Musik von Giorgio Moroder. Immer wieder Love to Love you Babe, Ohhh Love to Love you Babe. Das Ooh wird ein Uhh und immer exstatischer: ein vorgetäuschter Orgasmus folgt dem nächsten. Zum langsamen Beat schüttelt Gloria träge ihren Kopf, sie tanzt mit scheinbar schwebenden Haaren, ihre nackten Füße gleiten über den roten Teppichboden. Im Hintergrund wirft der Video-Beamer die aktuellen Hip-Hop-Videos der Musiksender an die Wand und die harten Stakkatobewegungen der schwarze Tänzerinnen in knappen Bikini-Outfits passen so gar nicht zu Glorias fließendem Tanzstil. Ich lasse mich von der Armlehne in die noch warme Sitzfläche des Sessels rutschen und beobachte sie.