Besuch bei Alberti
     Die Wand ist jetzt in schwarz und weiß gehalten. Snoop Dogg und Pharell Williams bewegen sich durch die sterile Ästhetik des Videos mit einer somnambulen Lässigkeit, die zu Donna Summers Love To Love You Baby passt, wie ein musikhistorisches Puzzlestück ins andere. Dieser von mir bemerkte Kreislauf in der Popkulturgeschichte bleibt aber sowohl von Alberti als auch von den anderen unbemerkt. Nur Gloria lässt sich jetzt erschöpft und auch angetrunken nicht mehr nur von der Musik treiben, ihr Körper tanzt ebenso mit den stummen Sprechsängern an der Wand. Am Esstisch hat Alice sich inzwischen ein Kissen aus ihren Armen gemacht und ist darauf eingeschlafen, Jeffrey sieht sich wie hypnotisiert die Musikvideos an und macht gelegentlich, mehr zu sich selbst, Bemerkungen wie „wenigstens keine Frauen“, oder: „Rapper sind immer entweder fett oder Athleten“. Alberti hat sich mit Leslie unter den Tisch verzogen, wo sie allein die Flasche Wodka zu leeren versuchen, dabei wie Kinder lachen und immer wieder sagen, Alice dürfe nichts erfahren, die vertrage nichts. Obwohl ich erst zehn Minuten hier bin, dessen kann ich mich versichern, indem ich auf die Uhr sehe, habe ich das Gefühl, nach Stunden und angesichts der allgemeinen Betrunkenheit, könne der Abend nun eigentlich ausklingen und beendet werden.
     Gloria scheint mir trotz ihrer geschlossenen Augen, trotz ihrer scheinbaren Selbstversunkenheit beim Tanz, die einzig ansprechbare Person in dieser Wohnung zu sein. Und da trifft es sich gut, dass nach endlosen siebzehn Minuten auch Donna Summer aufhört mit ihrem Love to Love you babe und Gloria erschöpft mir in den Schoß sinkt. Ich verabschiede mich von ihr und will mich dann unter ihr heraus und aus der Wohnung schleichen. Gloria sagt aber: „Dann geh ich auch. Ist ja nichts mehr los hier. Kannst du mich fahren?“
     Ich sehe sie an, noch immer mit meinem Rotweinglas in der Hand. Nur ein Glas Rotwein hatte ich getrunken.
     „Ist auch nicht weit“, sagt Gloria.
     Also bringe ich sie nach Hause. Aber ich gehe nicht mit ihr hinein. Zu Gloria hinein gehe ich erst nach meinem nächsten Besuch bei Alberti.
 
© Sebastian Wolf
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