02 Gainsbourg an grauen Nachmittagen
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn suchen würde. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass es so schnell wieder soweit sei. Mit ihm. Dass er so schnell wieder das Rot suchen würde, das nicht ihr Rot war, sondern in Gläsern schwamm. Und das Gelb, das glühte wenn sich das Licht des Aperitifs in ihm brach. Sie mochte die Farben, auch diese, aber nicht in seinen Maßen. Als sie ihn gefunden hatte, mit diesem seligen, gläsernen Nichts in den Augen, war sie bleich geworden.
 
Ein weiteres Blau lag am Boden einer leeren Flasche. Er drehte sie um, schüttelte sie ein paar Mal und es fiel auf seine Hand. Blau. Und das schon wieder nach einer Woche, hatte sie voller Resignation gesagt und sich weggedreht. Er ging zum CD Spieler und drehte Gainsbourg lauter. Dabei fand er ein Enttäuschung in der Spüle, er hätte es nicht suchen müssen.
 
 
Nachdem sie seine Augen gesehen hatte, diesen farblosen Blick, war ihr schlecht geworden. Kotzübel. Ihre Hände hatten nach dem Halt gesucht, den ihr Blick in dem gläsernen Nichts nicht hatte finden können. Sie hatten sich in ihren Manteltaschen zu Fäusten geballt. Sich um die Nägeln gekrallt, die sie aus wissender Angst eingepackt hatte.
 
Während sie nun ging, nein, schlich, nein, kroch schmerzte ihr Rücken. Schmerzte so sehr, dass sie glaubte zu zerspringen. In zwei Teile. In zwei Teile, die reglos auf den Pflastersteinen liegen. Über die Passanten große Schritte machen. Die morgen mit einem Wasserstrahl weggewaschen werden.
 
Nie hätte sie gedacht, ihn wieder dort zu sehen. Ihn dort zu finden. Nach nur einer Woche! Eine Woche und einen Tag nach seinem Anruf. Ich bin draußen, hatte er ihr gesagt. Und sie hatten getanzt. Am Quai. La Javanaise. Gelb war er gewesen, dieser Sonntagnachmittag, mit Eiscreme, Küssen und Touristenbooten.
 
Mit Mühe schleppte sie sich zum Kanal. Schaffte es kaum sich zu setzen, konnte ihren Rücken nicht beugen, lag ohnehin schon am Boden. Ihre Hände waren immer noch Fäuste. Geballt. Die Knöchel weiß. Die Nägel hatten sich in ihre Finger gebohrt. Standen wie lange spitze Stacheln hervor – Rüstungsrelikte eines verlorenen Kampfes. Einen nach dem anderen zog sie heraus und legte ihn neben sich. Vergessen, Blau, Ekel, Wütend, Nie mehr. Die Enttäuschung hatte sie ihm dagelassen.
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